Kriminalprävention
Kriminalprävention[1] -in
der Vergangenheit allgemein als "die
unmittelbaren polizeilichen Maßnahmen zur Verhütung von Straftaten" verstanden-[2] hat
zwischenzeitlich ihren festen Platz in der Kriminalwissenschaft und Praxis.
Bereits anfang der 70er Jahre waren in Deutschland erste
Bestrebungen erkennbar, die auch den gesamtgesellschaftlichen Ansatz von
Kriminalprävention berücksichtigten.
Schon 1977 wurde ein Deutscher Rat für
Verbrechensverhütung gefordert.[3]
Eine 1981 an der PFA im Seminar "Beiträge zur
Entwicklung eines Präventionskonzeptes" eingesetzte Arbeitsgruppe sah
Kriminalprävention als eine Angelegenheit der ganzen Gesellschaft an und
forderte, dass ein fundiertes Präventionskonzept sowohl individuelle als auch
gesellschaftliche Bedingungen der Kriminalität berücksichtigen müsse und dazu
eine umfassende Präventionsforschung notwendig sei. Außerdem wurden die Bildung
örtlicher Beratungsgruppen, das Einbringen kriminalpräventiver Überlegungen
in umweltgestaltende Enscheidungsprozesse, z.B. Zusammenarbeit mit
Stadtplanern, Architekten und örtlichen Gremien, gefordert.
Mehr und mehr setzte sich die Erkenntnis durch, dass
Kriminalität ein Thema ist, das alle angeht, nur im Gesamten gelöst werden und
eben nicht nur eine Aufgabe der Polizei sein kann.[4]
Auch die Fortschreibung des Programms für die Innere
Sicherheit (1994) hat die Bedeutung der Prävention "als eine breit
anzulegende gesamtgesellschaftliche Aufgabe, in die alle gesellschaftlich
relevanten Gruppen einzubeziehen sind" herausgestellt.
Zwischenzeitlich sind Präventionsräte bzw. -vereine in der
gesamten BRD im kommunalen, landes- und bundesweiten Bereich etabliert
Kriminalprävention ist als die Gesamtheit aller
staatlichen und nicht-staatlichen (gesamtgesellschaftlichen, privaten)
Bemühungen zur Straftatenverhinderung und Reduzierung der (überhöhten,
subjektiven) Verbrechensfurcht der Bevölkerung zu betrachten.[5]
Der AK II verstand unter Kriminalprävention die
Gesamtheit aller staatlichen und privaten Bemühungen, Programme und Maßnahmen,
die Kriminalität als gesellschaftliches Phänomen oder als individuelles
Ereignis verhüten, mindern oder in ihren Folgen gering halten sollen.[6]
Aufgrund der angeführten Dimensionen kann Kriminalprävention
heute nicht mehr als Teildisziplin nur von Kriminologie oder Kriminalistik
angesehen werden. Beide Wissenschaften leisten hier zwar einen wesentlichen
Beitrag, vermögen aber die gesamtgesellschaftliche Dimension alleine nicht
abzudecken. Kriminalprävention erfolgt Ressource übergreifend, interdisziplinär
auf unterschiedlichen Ebenen, kriminalpolitisch und gesamtgesellschaftlich,
kriminalstrategisch, -taktisch und -technisch.
Der kriminalpolitischen Prävention kommt vor allem
die Aufgabe zu, durch geeignete gesellschaftliche, wirtschaftliche,
haushaltsmäßige oder rechtliche Rahmenbedingungen Kriminalität möglichst erst
nicht entstehen zu lassen. Sie ist der Garant für positive (Rechtstreue, Vertrauen
der Bevölkerung in Gesetz, Staat und seine Organe) und negative (Strafandrohung, -verfolgung)
Generalprävention.
"Die generelle Vorbeugung im menschlichen, familiären,
gesellschaftlichen, gesellschaftspolitischen, erziehungs- und
kulturpolitischen, wirtschaftspolitischen Sektor“[7] ist
eben kein kriminaltaktischer, sondern vor
allem auch ein kriminalpolitischer Bereich.
Kriminalstrategische Prävention gewährleistet durch mittel- und
langfristige Planungskonzepte die Effizienz und Schwerpunktsetzung der
Kriminalprävention. Kriminalstrategische Konzepte setzten die kriminalpolitischen
Vorgaben um, z.B. das Programm für die Innere Sicherheit, der nationale Rauschgiftbekämpfungsplan.
Bei kriminaltaktischen und operativen
Präventionsmaßnahmen steht die Verhinderung einer konkreten Einzeltat im
Vordergrund. Sie sind primär dem Aufgabengebiet der Polizei zuzuordnen.
Taktisch-präventive Einsatzkonzepte sind z.B. Streifen-, offene oder verdeckte
Aufklärungs- oder Observationspläne, allgemeine Einsatzpläne zur
Straftatenverhinderung und auch "gezielte Maßnahmen, die z.B. die
Entstehung der von Banden und kriminellen Organisationen benötigten Logistik
verhindern oder -sofern eine solche schon besteht- zerstören wollen“.[8]
Technische Prävention befasst sich mit dem Einsatz technischer Hilfsmittel zur
Straftatenverhinderung, z.B. durch den Einsatz geeineter
Sicherungsvorrichtungen, Videoüberwachungsanlagen, Alarmanlagen, Wegfahrsperren,
eine Aufgabe, die hauptsächlich von den kriminalpolizeilichen Vorbeugungs- und
Beratungsstellen wahrgenommen wird.
Kriminalprävention als gesamtgesellschaftliche
(kriminalpolitische) Aufgabe hat vor allem im örtlichen (kommunalen) Lebensraum
des Bürgers eine besondere Bedeutung, da er hier lebt, meist hier Opfer wird und allgemein gerade in seinem
sozialen Umfeld das größte Sicherheitsbedürfnis hat. So wird allgemein z.B. ein
Einbruch in die eigene Wohnung als eine besonders starke Beeinträchtigung des
Sicherheitsgefühls empfunden.
[1] siehe Kriminologie G
I, II und H I (C 2006) Nr. 10
[2] Clages:
„Kriminalistik für Fachhochschulen“ 1983 S. 19
[3] R.
Weinberger, Die Polizei, Heft 12/77, S. 388 ff.
[4] Baier/Feltes:
"Kommunale Kriminalprävention", in: KRIMINALISTIK, Heft 11/94, S. 697
[5] vergl.
PDV 100, Ziff. 2.1.1 und 2.1.2
[6] AKII
am 15.10.98
[7] Burghard, in: Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik, 1985,
S. 4
[8] Klink/Kordus: „Kriminalstrategie – Grundlagen polizeilicher Verbrechensbekämpfung“ 1986 S. 14
Auszug aus Kriminologie-Skript zum Thema "Prävention":
Kriminalprävention, in der Vergangenheit oft als „unmittelbare polizeiliche Maßnamen zur
Straftatenverhütung“ bezeichnet, hat heute ihren festen Platz in Theorie
und Praxis.Fälschlicherweise wird
sie heute teils noch als Teilgebiet der Kriminalistik betrachtet.
Erste Ansätze einer
gesamtgesellschaftlichen Betrachtung sind spätestens seit den 70er Jahren auch
in Deutschland erkennbar.
Bereits 1977 forderte Weinberger
einen „Deutschen Rat für Verbrechensverhütung“. Zwischenzeitlich wurde im Jahr
2001 dasDeutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) gegründet.
In
den Bundesländern existieren zwischenzeitlich „Landespräventionsräte“, auch in
Hessen. Auf kommunaler Ebene traten die ersten Präventionsräte am Ende der 80er
bzw. anfangs der 90er Jahre zusammen (Neumünster, Osnabrück, Kiel).
Auch das „Programm für die Innere
Sicherheit 1974 der Innenminister /-senatoren der Länder“, fortgeschrieben
1994, hat die Bedeutung der Prävention „als
eine breit anzulegende gesamtgesellschaftliche Aufgabe, in die alle
gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen sind“, herausgestellt.
Prävention umfasst die Gesamtheit aller
staatlichen und privaten Bemühungen, Programme und Maßnahmen, welche die
Kriminalität und die Verkehrsunfälle als gesellschaftliche Phänomene oder als
individuelle Ereignisse verhüten, mindern oder in ihren Folgen gering halten. Zu solchen negativen Folgen
zählen physische, psychische und materielle Schäden sowie Kriminalitätsangst,
insbesondere die Furcht, Opfer zu werden. [1]
Generalprävention Zielrichtung der Generalprävention ist
die Gesamtbevölkerung. Einerseits will Generalprävention Straftaten erst gar nicht zur Entstehung
gelangen lassen, andererseits will sie durch Einwirkung auf die Allgemeinheit,
auch im Sinne der relativen Straftheorien der Poenologie, die Wiederholung von
Straftaten verhindern.
Negative Generalprävention will potentielle Täter durch Abschreckung
allgemein von der Begehung
(weiterer) Straftaten abhalten. Strafe ist hier als Schuldausgleich,
Vergeltung, Sühne des Täters und Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches
im Sinne einer absoluten Straftheorie der Poenologie zu verstehen. Wichtigste
Mittel der Generalprävention sind somit Gesetzgebung und Rechtsprechung.
Positive Gerneralprävention will Straftaten durch die Erhaltung
und Stärkung der Rechtstreue bewirken. Die Fortschreibung des „Programms für
die Innere Sicherheit“ 1994 weist ausdrücklich auf die Schaffung geeigneter
Bedingungen zur Kriminalitätsreduzierung, das Rechtsbewusstsein, die
Ursachenforschung und bürgernahe Präventionsarbeit auf kommunale Ebene hin. Auch die Bedeutung
von Familie, Schule, Kirche, Wohlfahrtsverbänden, Vereinen, Jugendgruppen und
Städtebau für die Kriminalprävention wird genau so herausgestellt wie jugend-
und sozialpolitische Maßnahmen sowie die Kooperation zwischen Gesellschaft,
Staat und Kommunen mit den Eltern oder Schulen und das örtliche Freizeitangebot
oder Wohnumfeld.
Positive Generalprävention ist auch
gelungene Sozialisation und beginnt bereits in der Familie und im Kindergarten.
Spezialprävention Zielrichtung der Spezialprävention ist
das einzelne Individuum. Spezialprävention bedeutet also die Verhütung
künftiger Straftaten durch unmittelbare
Einwirkung auf den Täter, auch durch Strafe und Maßnahmen der Sicherung und
Besserung.
Auch die negative Spezialprävention will wie die negative Generalprävention
abschrecken, allerdings nicht allgemein, sondern auf den Einzelnen bezogen. Ihr Ziel ist somit die
Abschreckung des Täters vor dem Rückfall, aber auch die Sicherung der
Allgemeinheit vor dem Täter. Strafe oder Maßnahmen der Sicherung und Besserung
sollen hier direkt beim Täter wirken.
Positive Spezialprävention ist die gelungene Resozialisierung des Täters. In jüngster Zeit nehmen die Bemühungen zu,
Kriminalprävention integrativ zu sehen und die Verkehrssicherheit in diesem
Themenbereich einzubeziehen, wie dies auch in der PDV 100 angeführt ist.[2]
[1] siehe
hierzu lfd. Nr. 10.4.7 (Kriminalprävention auf Verkehrsflächen) und
10.7 (Integrative Prävention für Verkehrssicherheit und
Kriminalität durch Audits zur Verkehrsraumgestaltung)
[2] PDV
100, Nr. 2.1.1.1; vergl. AKII am 15.10.98